Der milde Frühlingsanfang hat den diesjährigen Käferflug begünstigt. Umso wichtiger ist die regelmässige Beobachtung der Populationen und schnelles Eingreifen, wenn sie zu schnell wachsen.
Walter Koller zieht den Auffangbehälter aus der Borkenkäferfalle und schüttet die kleinen dunklen Krabbler in ein Messglas. «Es sind 450 Käfer. Das ist eher wenig und lässt keine klare Tendenz erkennen», stellt der Förster fest. Generell rechnet er diese Saison mit stark steigenden Zahlen.
Um den aktuellen Befall zu bestimmen und Massnahmen ergreifen zu können, verfügt der Kanton Appenzell Innerrhoden über ein Käferfallennetz mit 14 Fallen. Diese Fallen werden jeden Freitag kontrolliert und dienen zu Monitoringzwecken.
Liegendes Sturmholz, insbesondere solches der Novemberstürme, ist bereits deutlich vom Käfer befallen. Koller zückt sein Messer und schält bei einer am Wegrand liegenden Fichte ein Stück Rinde ab. Darunter sind Gänge zu sehen, in denen sich Käfer befinden. Es handelt sich um den Buchdrucker (Ips Typographus) und den Kupferstecher (Pityogenes chalcographus), die 4-5 mm bzw. 2-3 mm gross sind. Beides sind Rindenbrüter, die ihre Eier in kranke oder umgeworfene Fichten legen. «Eine gesunde vitale Fichte kann sich durch Harzfluss gegen die Käfer wehren. Sie werden ertränkt und es findet keine Vermehrung statt. Ganz anders ist es, wenn ein Baum geschwächt oder gestresst ist. Dann zieht er die Käfer an.» Kommt es zu einem Massenauftreten, werden alle Bäume, auch gesunde, angegriffen. Gemäss Kasper Scherrer, dem Revierförster von Schwende, durchtrennen die Borkenkäfer dabei die Leitbahnen des Baumes, welche die Baumwurzeln mit lebenswichtigen, in den Nadeln gebildeter Nahrung versorgen. Bei starkem Befall wird auch der Wassertransport in den Kronen so stark gestört, dass der Baum abstirbt.
Die Käfermännchen bohren sich in die Rinde der Fichte und locken durch Pheromone weitere Artgenossen, darunter auch Fortpflanzungspartnerinnen, an. Solche Lockstoffe, allerdings künstlich hergestellte, werden auch in den Fallen angebracht, um die Käfer anzulocken. Nach der Befruchtung frisst sich jedes Weibchen einen Gang in der Rinde längs der Stammachse und legt ihre Eier in die Seitenwände des Gangs. Wenn die Larven schlüpfen, beginnen diese, sich quer zum Muttergang durch den Rindenbast zu fressen und hinterlassen dabei das charakteristische Muster, das dem Käfer den Namen Buchdrucker gegeben hat. Nach sechs bis zehn Wochen ist die Entwicklung der neuen Generation abgeschlossen und die Käfer beginnen ihren Schwärmflug ab Temperaturen von 16 °C. Drei Bruten können während einer Vegetationsperiode stattfinden.
Ist die Brut bereits ausgeflogen, wenn der Schaden entdeckt wird, lässt man die Bäume in der Regel stehen. Hier siedeln sich Nützlinge an. Natürliche Helfer im Kampf gegen den Borkenkäfer seien Insekten wie die Schlupfwespe oder Ameisenbuntkäfer, auch bestimmte Pilze oder der Specht, sagt Kasper Scherrer.
Erkennungsmerkmale für den Borkenkäferbefall sind braunes Bohrmehl, das sich auf Rindenschuppen, am Stammfuss oder auf der Bodenvegetation ansammelt, und das Abfallen von Nadeln oder Rindenstücken. Nach einem Regen ist das Feststellen von Bohrmehl bisweilen schwierig. Das eindeutigste Indiz ist das typische Brutbild in der Rinde. Beim Absterben der Fichte färbt sich die Baumkrone rot.
Die Waldbesitzer sind in den kommenden Wochen angehalten, ihre Wälder im Auge zu behalten, um neue Käfernester rechtzeitig zu entdecken. Die effektivste Massnahme, um die Verbreitung des Käfers zu verhindern, ist das Fällen befallener Bäume und der schnellstmögliche Abtransport aus dem Wald. Damit der Ausflug der nächsten Käfergeneration reduziert werden kann. Als Alternative kommt dabei bei kleineren Befallsmengen auch eine Entrindung des Fichtenholzes vor Ort in Frage. Dabei werden Käfer und Brutmaterial zerstört. Doch derzeit wird wenig Holz geschlagen. «Eigentlich müssten zuerst die herumliegenden Stämme in die Sägerei», sagt Koller. «Doch die Nachfrage nach Holz in der Schweiz und im Ausland ist wegen der Coronapandemie stark eingebrochen. Auch für Hackholz gibt es wegen des Überangebots keine Nachfrage.» Immerhin sei die Lage in Innerrhoden aufgrund der Höhenlage und ausreichend Niederschlag weniger akut als teilweise im Mittelland.